Mit Urteil vom 27. November 2017 hat die 8. Kammer des Verwaltungsgerichts Arnsberg eine Klage der Bundeswehr gegen die Genehmigung zur Errichtung von vier Windenergieanlagen im Umfeld eines Radaranlagenstandortes abgewiesen.

Die Bundeswehr betreibt seit vielen Jahrzehnten auf einer im Gebiet der Gemeinde Erndtebrück gelegenen Bergkuppe eine Radaranlage, für welche seit dem 4. Mai 1963 ein Schutzbereich nach dem Gesetz über die Beschränkung von Grundeigentum für die militärische Verwendung (Schutzbereichsgesetz) bestand. Am 12. November 2014 formulierte das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (nachfolgend: Bundesamt) eine Schutzbereichseinzelanforderung für die Verteidigungsanlage Erndtebrück, nach der im Umkreis von 500 m um den Drehpunkt der Antenne alle Bauten nach § 3 Abs. 1 des Schutzbereichsgesetzes der Genehmigungspflicht seitens der Schutzbereichsbehörde unterworfen sein sollten und die Genehmigungspflicht im Umkreis von 500 m bis zu 5.000 m von der Entfernung zur Anlage und der jeweiligen Bauhöhe abhängen sollte. Die Schutzbereichsanordnung aus dem Jahr 1963 blieb jedoch weiter in Kraft.

Erstmals im Juni 2016 beantragte eine in Bad Laasphe ansässige Firma die Genehmigung zur Errichtung von vier Windenergieanlagen mit Nabenhöhen von 94 m und 115 m sowie Gesamthöhen von 150 m und 175 m. Die Anlagen sollten in einer Entfernung von gut 4 km von der Radarstation errichtet werden. Das im Genehmigungsverfahren beteiligte Bundesamt erklärte, dem Vorhaben könne aus militärischer Sicht nicht zugestimmt werden, da die Anlagen mit ihren dämpfungs- und verschattungswirksamen Anteilen (Turm, Gondel, Rotorblattwurzel) bis etwa 83,3 m in den Erfassungsbereich der Radaranlage hineinragten und aufgrund der geringen Entfernung und der Dimension der Anlagen mit einer signifikanten Beeinträchtigung der Radarerfassung bereits durch eine einzelne Anlage gerechnet werden müsse. Die Anlagen überschritten die in der Schutzbereichsanordnung angegebenen Bauhöhen erheblich. Auch einem weiteren Genehmigungsantrag vom 9. September 2016, der infolge der Umplanung der Standorte gestellt geworden war, hielt das Bundesamt diese Einwendungen entgegen.

Mit Bescheid vom 22. Dezember 2016 erteilte der Kreis Siegen-Wittgenstein die beantragte Genehmigung für die Windenergieanlagen. In der Genehmigungsentscheidung setzte sich der Kreis auch mit einem im Genehmigungsverfahren vorgelegten Gutachten zur Frage der radartechnischen Vertretbarkeit der Anlagen auseinander, welches im August 2015 erstellt und im September 2016 ergänzt worden war.

Mit Erlass vom 2. Februar 2017 hob das Bundesministerium der Verteidigung die Schutzbereichsanordnung vom 4. Mai 1963 auf, weil der Schutzbereich für die Anlage Erndtebrück geändert werden sollte. Am 3. Februar 2017 ordnete das Ministerium  einen militärischen Schutzbereich für die Anlage an, wobei die Maße aus der Schutzbereichseinzelanforderung vom 12. November 2014 übernommen wurden.

Die seitens der Bundeswehr schon im Januar 2017 erhobene Klage gegen den Genehmigungsbescheid vom 22. Dezember 2016 hat das Verwaltungsgericht nunmehr mit der Begründung abgewiesen, die Windenergieanlagen beeinflussten die Radaranlage zwar, diese Beeinflussung sei jedoch nicht so gravierend, dass von einer Störung ihrer Funktionsfähigkeit im immissionsschutzrechtlich relevanten Sinne auszugehen sei. In einem weiteren im Klageverfahren vorgelegten Gutachten aus Oktober 2017 werde die Minderung der Reichweite als unerheblich und messtechnisch nicht feststellbar dargestellt. Auch die Entdeckungswahrscheinlichkeit werde laut Gutachten nur geringfügig beeinträchtigt. Zudem sei der Bereich hinter den Windenergieanlagen auch nicht vollständig der Beobachtung durch die Radaranlage entzogen, denn nur im unmittelbaren Umfeld der Anlagen könne ein dort aufsteigendes Flugobjekt überhaupt nicht ausgemacht werden; in größeren Entfernungen seien Beobachtungen – wenngleich auch mit einer geringfügigen Einschränkung der Entdeckungswahrscheinlichkeit – möglich.

Die Kammer hebt in ihrer Entscheidung ferner hervor, dass sich die Windenergieanlagen im – für die Entscheidung des Gerichts maßgeblichen – Zeitpunkt ihrer Genehmigung (Dezember 2016) außerhalb des damals maßgeblichen Schutzbereiches befunden hätten. Die vorbenannte Schutzbereichseinzelanforderung habe zwar schon seit November 2014 vorgelegen, dieser komme jedoch keine rechtlich verbindliche Außenwirkung zu. Erst die Anordnung eines militärischen Schutzbereichs (hier geschehen im Februar 2017) bilde einen Aspekt, der im Rahmen des Genehmigungsverfahrens für Anlagen wie die in Streit stehenden Windenergieanlagen zu berücksichtigen sei. Zwischen Formulierung der Einzelanforderung und der Anordnung des militärischen Schutzbereichs seien jedoch mehr als zwei Jahre vergangen; auch habe die Bundeswehr das ihr seit Anfang August 2016 bekannte Genehmigungsverfahren nicht zum Anlass genommen, die Anordnung früher zu erlassen. Dies hätte aus Sicht der Kammer jedoch nahe gelegen, wenn die Bundeswehr besonders schwere Nachteile für den Betrieb der Radaranlage befürchtet hätte.

Gegen das Urteil kann die Zulassung der Berufung beantragt werden, über welche das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu entscheiden hätte.

Die anonymisierte Entscheidung ist in Kürze in der Rechtsprechungsdatenbank NRWE zu finden.

 

Aktenzeichen: 8 K 265/17