Pressemitteilung der Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen sowie der Präsidentinnen und Präsidenten der Verwaltungsgerichte Aachen, Arnsberg, Düsseldorf, Gelsenkirchen, Minden und Münster

Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Nordrhein-Westfalen hat sich in Erwartung weiter zunehmen der Asylverfahren gut aufgestellt und ist gegenwärtig in der Lage, die Herausforderung zu bewältigen, erklären die Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts sowie die Präsidentinnen und Präsidenten der nordrhein-westfälischen Verwaltungsgerichte. Die Zahl der Asylverfahren bei den sieben Verwaltungsgerichten ist erheblich gestiegen, wobei der seit einigen Monaten stark angeschwollene Flüchtlingsstrom sich darin noch nicht niederschlägt. Viele Asylverfahren sind beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), dessen ablehnende Entscheidungen die Verwaltungsgerichte auf Antrag der Asylbewerber kontrollieren, noch nicht abgeschlossen. „Wann diese Welle auf uns zurollt, bleibt abzuwarten“, so die Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts, Dr. Ricarda Brandts. „Wir sind aber zuversichtlich, dank der zugesagten personellen Verstärkung sowie mit internen organisatorischen Maßnahmen die Situation bewältigen und effektiven Rechtsschutz gewähren zu können.“

Verfahrenszahlen

Die Zahl der bei den sieben Verwaltungsgerichten eingegangenen Asylverfahren hat sich gegenüber 2013 mehr als verdoppelt (2013: rund 10.100, 2014: 15.600, 2015: hochgerechnet 22.000), gegenüber 2011 (5.811) vervierfacht. Der Anteil an allen verwaltungsgerichtlichen Verfahren beträgt inzwischen durchschnittlich 41 %. Dabei gewährleisten die Verwaltungsgerichte im Interesse der Flüchtlinge und der Allgemeinheit schnellen Rechtsschutz. Asylbewerber und Aufnahmegemeinde haben einen Anspruch auf schnelle Klarheit über eine Bleiberechtsperspektive. Eilverfahren, in denen nach Aktenlage darüber entschieden wird, ob ein Asylbewerber zunächst bleiben darf oder abgeschoben werden kann, dauern durchschnittlich weniger als einen Monat. Auch weil die Ausländerbehörden nach erfolglosen Eilanträgen trotz vollziehbarer Ausreisepflicht der Asylbewerber häufig nicht abschieben, ist regelmäßig danach noch in der Hauptsache zu entscheiden. Dies geschieht, in der Regel nach einer mündlichen Verhandlung, durchschnittlich nach sieben Monaten. Die meisten neu eingegangenen Verfahren bezogen sich in diesem Jahr (bis 30. September 2015) auf das Kosovo (3279), es folgten Syrien (2014), Serbien (1760) und Albanien (1466). Die Westbalkan-Verfahren betreffen vielfach sogenannte Folgeanträge, d. h. bisher rechtskräftig erfolglose Asylbewerber haben mit der Begründung einen erneuten Asylantrag gestellt, die Sach- und Rechtslage habe sich geändert oder neue Beweismittel lägen vor.

Personal

Zu der zügigen Entscheidungspraxis bei den Asylverfahren, die auch nicht zu Lasten der übrigen Verfahren geht, sind die Verwaltungsgerichte nur aufgrund umfassender personeller Verstärkung in der Lage. In diesem Jahr sind 22 neue Richterinnen und Richter eingestellt worden, die unter Berücksichtigung der örtlichen Belastung auf die sieben Ver-waltungsgerichte im Land verteilt wurden (Aachen: 3, Arnsberg: 3, Düsseldorf: 6, Gelsenkirchen: 4, Köln: 2, Minden: 2, Münster: 2). Für das kommende Jahr hat die Landesre¬gierung 37 weitere Richterstellen sowie 39 Stellen im nichtrichterlichen Dienst zugesagt.

Organisation

Inzwischen bearbeiten fast alle Verwaltungsrichterinnen und  richter, spezialisiert nach Herkunftsländern der Asylbewerber, auch Asylverfahren. Die sogenannten Dublin-Verfahren, die die Frage betreffen, welcher EU-Mitgliedstaat für das Asylverfahren zuständig ist, sind ebenfalls überwiegend auf bestimmte Spruchkörper konzentriert. Auf die Entscheidungspraxis des BAMF – etwa zur vorrangigen Bearbeitung der Asylanträge aus bestimmten Herkunftsländern – reagieren die Verwaltungsgerichte durch schnelle Anpassung ihrer Geschäftsverteilung. Darüber hinaus haben die nordrhein-westfälischen Verwaltungsgerichte weitere organisatorische Maßnahmen ergriffen, um die effektive Bewältigung der Asylverfahren zu gewährleisten. Unter anderem gibt es Asyl-Ansprechpartner und  Ansprechpartnerinnen in jedem Gericht für einen schnellen Informations- und Erfahrungsaustausch innerhalb der Gerichtsbarkeit sowie eine „Task Force Asyl“, die auf Leitungsebene die erforderlichen Veränderungs- und Entscheidungsprozesse vorbereitet und Lösungsstrategien erarbeitet.

Oberverwaltungsgericht

In zweiter Instanz steigt die Zahl der Asylverfahren ebenfalls an, sie machen hier 24 % (Stand 30.September 2015) der eingegangenen Hauptsacheverfahren aus. Die Zunahme bei den Verwaltungsgerichten betrifft zu einem großen Teil Eilverfahren, in denen es kein Rechtsmittel zum Oberverwaltungsgericht gibt. Dies gilt auch, wenn in der Hauptsache die Asylklage als offensichtlich unbegründet abgelehnt wird. Im Übrigen kann die Berufung nur in bestimmten Fällen, etwa bei grundsätzlicher Bedeutung oder bei Verfahrensmängeln, durch das Oberverwaltungsgericht zugelassen werden.