Die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Arnsberg hat nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 26. März 2019 eine auf die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von zwei Windenergieanlagen in Hamm (Ortsteil Bockum-Hövel, Isenburg) gerichtete Klage abgewiesen.

Die mit einer Nabenhöhe von 139 m, einem Rotordurchmesser von 122 m und einer Gesamthöhe von 200 m geplanten Windenergieanlagen sollen in einer Entfernung von 13,5 km bzw. 13,9 km zu der Flugsicherungseinrichtung UKW-Drehfeuer Hamm (DVOR Hamm) errichtet werden. Angesichts der durch die angedachte Errichtung der Windenergieanlagen möglicherweise betroffenen Belange der Flugsicherheit wurden das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung und die DFS Deutsche Flugsicherungs GmbH (DFS) in das Genehmigungsverfahren eingeschaltet. Nachdem die DFS sich dahingehend eingelassen hatte, dass die Vorhaben in dem 15 km umfassenden Anlagenschutzbereich um die DVOR Hamm errichtet werden sollten und eine unzulässige Störung derselben bewirken könnten, lehnte die Stadt Hamm den Genehmigungsantrag mit Bescheid vom 20. Dezember 2016 ab. Zur Begründung ihrer daraufhin erhobenen Klage trug die Klägerin im Wesentlichen vor, der Anlagenschutzbereich sei mit einem Radius von 15 km zu hoch gegriffen, die DFS habe die maßgeblichen Störbeiträge grundsätzlich unzutreffend ermittelt und berechnet und selbst bei Annahme eines durch die Windenergieanlagen verursachten Störbeitrages wäre ein solcher so gering, dass er keine relevante Störung des Flugbetriebs darstelle. 

Diese Klage hat das Gericht nunmehr abgewiesen, weil der erstrebten Genehmigung das Errichtungsverbot des § 18a Abs. 1 Satz 1 des Luftverkehrsgesetzes (LuftVG) entgegen steht. Nach dieser Vorschrift dürfen Bauwerke nicht errichtet werden, wenn die Funktion der Flugsicherungseinrichtung – konkret die Flugverkehrs-, Kommunikations-, Navigations-, Überwachungs-, Flugberatungs- und Flugwetterdienste – in einem Maße beeinträchtigt werden, das sich auf die sichere, geordnete oder flüssige Abwicklung des Flugverkehrs auswirkt. Zur Prüfung und Beurteilung dieser Frage darf die zuständige Behörde als Orientierungshilfe unter anderem auf die Vorgaben der Internationalen Organisation der Zivilluftfahrt (ICAO) zurückgreifen, soweit diesen für den jeweiligen Prüfungsaspekt eine hinreichende Aussagekraft zukommt. Ist dies mit Blick auf die zu beurteilende Frage nicht der Fall, können auch weitere Erkenntnisse und Wertungen herangezogen werden, deren Maßgeblichkeit und Entscheidungstauglichkeit jedoch nicht davon abhängt, ob darüber ein allgemeiner wissenschaftlicher Konsens besteht. Es reicht vielmehr aus, dass der jeweilige diesbezügliche Ansatz der Fachbehörde durch wissenschaftliche Gegenpositionen nicht substanziell in Frage gestellt wird. Davon ist im Hinblick auf die von der Fachbehörde gewählte Methode oder die in deren Rahmen erfolgende Risikobewertung letztlich erst dann auszugehen, wenn und soweit sich dafür eine bestimmte andere Methode oder ein bestimmter anderer Maßstab durchgesetzt haben und gegenteilige Meinungen nicht mehr als vertretbar angesehen werden.

Gemessen hieran ist die von der DFS getroffene prognostische Entscheidung, dass die beiden streitigen Windenergieanlagen beachtliche Störungen in Gestalt von relevanten Funktionsbeeinträchtigungen der DVOR Hamm hervorrufen könnten, nach Auffassung der Kammer nicht zu beanstanden.

Das Prüfungs- und Prognoseverfahren der DFS, in welchem auf der Grundlage von Referenzszenarien aus einer Studie der Ecole Nationale de l´Aviation Civile (ENAC) in Toulouse unter Einstellung von aus Sicht der DFS relevanten Parametern (unter anderem Höhe, Abstand, Anzahl und Verteilung der Windenergieanlagen in Bezug auf die Flugsicherungsanlage) und eigener Erfahrungsansätze aus Flugvermessungen ein Prognosewert für die von einer Windenergieanlage ausgelöste Beeinflussung des Funksignals der jeweiligen Flugsicherungseinrichtung berechnet wird, ist bis in die jüngste Vergangenheit von der Rechtsprechung als vertretbar und fachwissenschaftlich nicht substanziell in Frage gestellt beziehungsweise durch eine andere Verfahrensweise verdrängt gebilligt worden. Die Kammer sieht auch unter Berücksichtigung des gegenteiligen Vorbringens der Klägerin einschließlich der von dieser vorgelegten Gutachten und Stellungnahmen und der im Termin zur mündlichen Verhandlung hierzu eingeholten erläuternden Angaben der Gutachter keinen Anlass für eine von der vorbezeichneten gerichtlichen Spruchpraxis abweichende Beurteilung. Denn dass sich mittlerweile ein anderes Verfahren als deutlich vorzugswürdiger in der Praxis durchgesetzt habe, weil es im Prognoseergebnis realitätsnäher sei, und damit zugleich der von der DFS angewandte Prüfungs- und Bewertungsansatz als fachlich nicht mehr vertretbar verdrängt sei, ist für die Kammer nicht feststellbar. Die Klägerin habe im Verfahren zwar aufgezeigt, dass Flugsicherungsbehörden in anderen Ländern andere Prognosemethoden verwenden, allerdings habe sich – so die Kammer – keine dieser Methoden oder Vorgehensweisen mittlerweile im Sinne eines allgemein akzeptierten „besten“ praktikablen Verfahrens zumindest in einer weit überwiegenden Zahl anderer Staaten durchgesetzt; auch repräsentiere keine dieser Methoden einen der Vorgehensweise der DFS klar überlegenen und von der DFS ohne Weiteres einzuhaltenden Prüfungsstandard. Zudem sei – selbst bei Zugrundelegung sämtlicher Angaben der klägerischen Sachverständigen – nicht erkennbar, dass die von der Klägerin für vorzugswürdig erachteten Verfahren für ihre jeweils ermittelten Prognoseergebnisse gemessen an den tatsächlich auftretenden Störwirkungen – wissenschaftlich validiert – eine offenkundig höhere Richtigkeitsgewähr für sich in Anspruch nehmen könnten als die von der DFS errechnete Ergebnisse.

Die Kammer führt ferner aus, auch die vorliegend von der DFS herangezogene Grundannahme eines Prüfradius von 15 km um DVOR-Anlagen mit erhöhter Vorbelastung sei nicht zu beanstanden. Das Abstellen auf einen Prüfumfang von 15 km gehe zwar über die Regelvorgabe in den einschlägigen Bestimmungen hinaus, die nur einen Radius von 10 km vorsähen, für Fallgestaltungen erhöhter Vorbelastungen – namentlich durch bereits bestehende Windenergieanlagen, die sich auch im Umkreis der DORV Hamm schon fänden – seien aber größere Prüfradien möglich.

Auch die Bemessung eines externen Störern – wie etwa einer Windenergieanlage – zuzugestehenden Störbeitrages von maximal 1° Winkelgrad für die jeweilige DVOR-Anlage hält gerichtlicher Überprüfung stand. Denn die DFS hat diesen Wert nach Auffassung der Kammer aus den insofern einschlägigen Empfehlungen der ICAO plausibel hergeleitet. Angesichts dessen bestünden auch in Ansehung des Umstandes, dass es sich bei diesen Empfehlungen nur um Richtwerte handele, keine Bedenken im Sinne einer fachlichen Unvertretbarkeit des gewählten Ansatzes.

 

Gegen das Urteil kann die Zulassung der Berufung beantragt werden, über welche das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu entscheiden hätte.


Aktenzeichen: 4 K 685/17