Im Streit um die Redezeiten im Rat der Stadt Brilon und in dessen Ausschüssen haben fünf Ratsmitglieder vor Gericht einen Teilerfolg erzielt. Die 12. Kammer des Verwaltungsgerichts Arnsberg hat nach Durchführung von mündlichen Verhandlungen am 12. Juli 2019 und 5. Dezember 2019 entschieden, dass eine im Juli 2017 vom Rat der Stadt Brilon mehrheitlich beschlossene Verkürzung von Redebeiträgen und Redezeiten im Hinblick auf die Ratssitzungen selbst zwar nicht zu beanstanden ist, die Ratsmitglieder aber in innerorganschaftlichen Rechten insoweit verletzt sind, als diese Redezeitbegrenzungen auch für die Sitzungen der Ausschüsse des Rates gelten.

In der Geschäftsordnung für den Rat und die Ausschüsse der Stadt Brilon (nachfolgend: Geschäftsordnung) war jedem Ratsmitglied ursprünglich das Recht eingeräumt worden, zu jedem Punkt der Tagesordnung einer Rats- oder Ausschusssitzung bis zu dreimal zu sprechen; dabei war die Höchstdauer eines Redebeitrages auf im Regelfall zehn Minuten begrenzt worden, wobei diese durch Beschluss des Rates verlängert oder verkürzt werden konnte. Anträge zur Geschäftsordnung blieben von der Beschränkung unberührt. Auf den Antrag einer der beiden großen Ratsfraktionen änderte der aus 38 Mitgliedern bestehende Rat der Stadt Brilon die maßgebliche Geschäftsordnungsbestimmung im Juli 2017 auf höchstens zwei Wortbeiträge pro Tagesordnungspunkt und eine Redezeit von im Regelfall höchstens fünf Minuten ab. Die auch schon in der Ursprungsfassung der Geschäftsordnungsnorm vorgesehene Verlängerungs- und Verkürzungsmöglichkeit sowie die Ausnahmeregelung hinsichtlich der Geschäftsordnungsanträge blieben erhalten. Zur Begründung des Änderungsantrags war auf die immer länger andauernden Rats- und Ausschusssitzungen der jüngeren Vergangenheit verwiesen worden. Gegen den Ratsbeschluss aus Juli 2017 haben die Kläger, die keiner der beiden großen Fraktionen im Rat der Stadt Brilon angehören, im August 2017 Klage erhoben.

Die 12. Kammer des Verwaltungsgerichts Arnsberg hat nunmehr entschieden, dass die Kläger durch die vorbenannte neue Geschäftsordnungsbestimmung in dem ihnen als Mitglieder des Rates zustehenden Recht auf Rede nur insoweit verletzt sind, als die Redezeitbeschränkung auch für die Ausschusssitzungen gilt, die Regelung im Hinblick auf die Ratssitzungen selbst jedoch nicht beanstandet. Insoweit ist in den Entscheidungsgründen des Urteils ausgeführt:

Das Rederecht gehöre zum Statuskern des Ratsmitgliedes. Dem entsprechend stehe jedem Ratsmitglied grundsätzlich das Recht zu, seine Stimme im Plenum des Rates zu erheben. Denn das öffentliche Verhandeln von Argument und Gegenargument vor der Abstimmung sei ein wesentliches Element des demokratischen Entscheidungsfindungsprozesses und gebe den Abgeordneten, insbesondere denen der Minderheiten, die Möglichkeit, ihre Auffassung darzustellen, auf die Diskussion einzuwirken und damit ein Ergebnis in ihrem Sinne zu beeinflussen. Das Rederecht gelte jedoch nicht unbegrenzt, sondern werde durch die Erfordernisse eines ordnungsgemäßen Geschäftsganges des Rates begrenzt. Es könne zur Sicherung der Effektivität und Funktionsfähigkeit des Rates sowie zur Abstimmung mit den Rederechten der anderen Ratsmitglieder in der Geschäftsordnung des Rates näher ausgestaltet und eingeschränkt, insbesondere zeitlich begrenzt werden. Dabei stehe dem Rat prinzipiell ein weites Ermessen zu. Dieser könne bei der Regelung der Redezeiten auch den Aspekt der nur begrenzten Zeitkontingente der nur ehrenamtlich tätigen Ratsmitglieder sowie den Umstand berücksichtigen, dass Entscheidungen des Rates in der Regel in Fraktionen und in den Ausschüssen des Rates vorbereitet und in der Regel schon so weit abgestimmt würden, dass eine Änderung der dabei entstandenen Meinungsbildung nach kontroverser Diskussion im Rat nicht die Regel sei.

Dem entsprechend sei die Geschäftsordnungsbestimmung, die eine Begrenzung auf zwei Wortbeiträge zu in der Regel je fünf Minuten Dauer vorsehe, für die Sitzungen des Rates selbst nicht zu beanstanden, da dem Rederecht der Ratsmitglieder mit dieser Ausgestaltung noch hinreichend Rechnung getragen werde. Auch kleinere, nur aus zwei Ratsmitgliedern bestehende Fraktionen hätten die Möglichkeit sich mit einer Redezeit von bis zu 20 Minuten pro Tagesordnungspunkt in einer Ratssitzung ausreichend zu äußern und in der Beratung auch auf vorangegangene Beiträge zu erwidern. Das dennoch zu konstatierende höhere zeitliche Gewicht potenzieller Wortbeiträge von Mitgliedern größerer Fraktionen, die zu einem Beratungspunkt tendenziell in die gleiche Richtung zielen dürften, sei durch das größere Wählervertrauen in diese gerechtfertigt.

Allerdings stehe die Beschränkung auf zwei Redebeiträge à fünf Minuten mit der Funktion von Ausschüssen im kommunalen Gefüge nicht in Einklang. Denn in den Ausschüssen stehe regelmäßig die Sacharbeit von Mitgliedern im Vordergrund, die sich auf das jeweilige Fachgebiet spezialisiert bzw. hieran ein besonderes Interesse hätten. In den kleineren Gremien würden wichtige Fragen – sowohl ganze Aufgabengebiete als auch Einzelfragen – vorberaten und die Entscheidungen des Rates vorbereitet. In der Praxis finde die inhaltliche Befassung und Diskussion vor allem in den Ausschüssen statt; im Rat werde auf der Grundlage der in den Ausschüssen geführten Beratungen in der Regel nur noch abgestimmt. Diese Arbeit in den Ausschüssen könne auf der Grundlage der beschlossenen Redezeitbeschränkungen jedoch nicht sachgerecht geleistet werden. Dies gelte umso mehr, als gerade die umfassende und erschöpfende Erörterung in den Ausschüssen eine konzentriertere Debatte im Rat – auch einhergehend mit entsprechenden Redezeitbeschränkungen – ermögliche.

Gegen das Urteil kann die Zulassung der Berufung beantragt werden, über welche das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu entscheiden hätte.

 

Aktenzeichen: 12 K 7751/17