Die 8. Kammer des Verwaltungsgerichts Arnsberg hat in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren heute entschieden, dass die drei Windenergieanlagen auf dem „Knippen“ in Freudenberg-Büschergrund vorerst wieder betrieben werden dürfen.

Der Kreis Siegen-Wittgenstein hat der Rechtsvorgängerin der heutigen Betreiberin des Windparks Knippen am 27. August 2015 eine  Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von drei Windenergieanlagen in der Gemarkung Büschergrund in Freudenberg erteilt. Gegen diese Genehmigung in der Gestalt, die diese durch den Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 2017 gefunden hat, wurde am 9. August 2017 vor dem Verwaltungsgericht Arnsberg eine Klage erhoben, über die noch nicht entschieden wurde.

Die Frage der Zulässigkeit des Betriebs der Windenergieanlagen während des noch laufenden Klageverfahrens war bereits Gegenstand mehrerer erstinstanzlich vor dem Verwaltungsgericht Arnsberg und in der Beschwerdeinstanz vor dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen geführter einstweiliger Rechtsschutzverfahren. Zuletzt hatte das Oberverwaltungsgericht den Betrieb der Windenergieanlagen mit Beschluss vom 17. September 2019 vorerst untersagt, weil die im Genehmigungsverfahren vorgenommene allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit des Vorhabens auch nach einer im Laufe des Klageverfahrens dokumentierten Ergänzung der Vorprüfung nicht den maßgeblichen gesetzlichen Vorgaben genügte. Das Oberverwaltungsgericht hatte insofern angeführt, dass die Vorprüfung jedenfalls hinsichtlich des Rotmilans unter Mängeln bei der Erfassung des Sachverhalts leidet, und offen gelassen, ob das Ergebnis der Vorprüfung hinsichtlich des Schwarzstorches, des Haselhuhns und der Erhaltungsziele des Vogelschutzgebietes „Westerwald“ im für die gerichtliche Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt nachvollziehbar war.

Der in der Entscheidung vom 17. September 2019 angesprochene Mangel ist nunmehr geheilt, da der Kreis Siegen-Wittgenstein zwischenzeitlich weitere Ergänzungen seiner Vorprüfung vorgenommen hat und die Vorprüfung in der Fassung der unter dem 12. Dezember 2019 hinsichtlich des Rotmilans sowie unter dem 6. März 2020 hinsichtlich des Schwarzstorches, des Haselhuhns und der Erhaltungsziele des Vogelschutzgebietes „Westerwald“ nach Auffassung der 8. Kammer des Verwaltungsgerichts Arnsberg nunmehr den Anforderungen der §§ 3a Satz 4, 3c  des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) genügt. Insoweit führt das Gericht in seinem Beschluss vom 9. April 2020 aus:

Die möglichen Auswirkungen des Vorhabens auf die windenergiesensible Vogelart Rotmilan seien durch die von der Anlagenbetreiberin vorgelegten, von einem Diplom-Biologen und unabhängigem Naturschutz-Fachgutachter am 22. November 2019 erstellten Raumnutzungsanalysen Rotmilan zum Windpark Knippen 2018 und 2019 hinreichend geklärt. Laut dortiger Ausführungen seien in dem maßgeblichen Untersuchungsraum von 1.000 Metern um die Standorte der drei Windenergieanlagen, der für Schlaf- und Brutplätze des Rotmilans in den Blick zu nehmen ist, in den Jahren 2018 und 2019 keine besetzten Horste von Rotmilanen aufzufinden und auch keine sonstigen relevanten Raumnutzungen durch diese Vogelart zu verzeichnen gewesen.

Die in der Ergänzung der Vorprüfung vom 6. März 2020 niedergelegte Beurteilung der Genehmigungsbehörde, dass im Hinblick auf den Schwarzstorch keine erheblichen nachteilige Auswirkungen durch die Windenergieanlagen zu erwarten seien, ist aus Sicht des Gerichts ebenfalls nicht zu beanstanden. Ausweislich der auch mit Blick auf den Schwarzstorch erstellten weiteren zwei Raumnutzungsanalysen wurden im Jahr 2018 an 20 Beobachtungsterminen insgesamt acht Flugbewegungen der Art festgestellt, die sich auf vier Termine konzentrierten, während an den übrigen 16 Terminen überhaupt keine Aktivitäten hätten nachgewiesen werden können. Im Jahr 2019 seien an 20 Beobachtungsterminen 22 Flugbewegungen festgestellt worden, die sich auf zwölf Termine konzentriert hätten. Dabei hätten die in 2018 beobachteten Überflüge allesamt im Westen der Anlagenstandorte außerhalb des 1.000 Meter-Umkreises stattgefunden, im Jahr 2019 zu einem geringen Teil auch innerhalb dieses Radius.

Auch die Einschätzung der Genehmigungsbehörde, die Windenergieanlagen wirkten sich nicht nachteilig auf die Population des Haselhuhns aus, sei auf der Grundlage der insoweit in der  Vorprüfungs-Ergänzung vom 6. März 2020 getätigten Aussagen bei summarischer Prüfung nachvollziehbar. Die ebenfalls am 22. November 2019 erstellten Raumnutzungsanalysen Haselhuhn 2018 und 2019 seien zu dem Ergebnis gekommen, dass sowohl nördlich des Windparks innerhalb des 1.000 Meter-Umkreises als auch westlich davon außerhalb desselben ganzjährig geeignete Lebensräume für das Haselhuhn existieren, diese jedoch deutlich räumlich voneinander getrennt seien und keine Verbundstrukturen aufwiesen. Potenziell betroffen von den Windenergieanlagen wäre daher lediglich der nördlich gelegene kleinere Siedlungsraum, welcher aufgrund seiner isolierten Lage aber grundsätzlich ein geringeres Potenzial zur dauerhaften Besiedelung durch das Haselhuhn besitze und zudem infolge starken Publikumsverkehrs auf dem nördlich gelegenen Golfplatz und durch die südlich vorzufindende stark frequentierte Wegeverbindung zwischen den Gewerbegebieten Büschergrund und Römershagen erheblichen Störungen ausgesetzt sei, die zu potenziellen Beunruhigungen in den Lebensräumen für das Haselhuhn führten. Das Haselhuhn sei in diesem potenziellen Siedlungsgebiet auch nicht nachgewiesen worden.

Das Gericht hält auch die Annahme des Kreises Siegen-Wittgenstein für nachvollziehbar, dass dem Windenergie-Vorhaben die Schutzzwecke des westlich und südwestlich des Vorhabengebietes in 750 Meter beziehungsweise 5.000 Meter Entfernung gelegenen Vogelschutzgebietes „Westerwald“ nicht entgegenstehen.

Damit dürfen die Windräder bis zur Entscheidung im Hauptsacheklageverfahren gegen den Genehmigungsbescheid zunächst vorerst wieder betrieben werden.

Gegen die Entscheidung vom 9. April 2020 kann Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen eingelegt werden.

 

Aktenzeichen: 8 L 1712/19