Die 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Arnsberg hat mit Beschluss vom 22. Juli 2020 entschieden, dass die vom Kreis Olpe Ende März verfügte Sperrung eines Teilstücks der Landstraße 687 zwischen dem Ortsausgang Finnentrop-Rönkhausen und der Abzweigung zur Ortschaft Wildewiese („Hohes Lenscheid“) in Fahrtrichtung Sundern an Wochenenden und Feiertagen vorläufig, das heißt bis zur Entscheidung über die in dieser Angelegenheit noch anhängige Hauptsacheklage, bestehen bleibt.

Der maßgebliche Streckenabschnitt der L 687 ist knapp fünf Kilometer lang, durch einen Höhenunterschied von 280 Metern geprägt und zeichnet sich durch eine kurvige Straßenführung aus. Die Strecke ist im Sommerhalbjahr besonders an den Wochenenden bei Kradfahrern beliebt. Auf dem Abschnitt befinden sich sechs Unfallhäufungsstellen und Unfallhäufungslinien. Im Zeitraum 2009 bis 2019 wurden 58 Unfälle unter Beteiligung von Krafträdern aktenkundig; dabei verloren fünf Motorradfahrer ihr Leben, 37 wurden schwer und 19 leicht verletzt. 54 Unfälle wurden durch Kradfahrer verursacht, wobei die häufigste Unfallursache eine nicht angepasste Geschwindigkeit war. Auch nachdem verschiedene Maßnahmen zur Unfallreduzierung getroffen worden waren, kam es von 2016 bis 2019 weiter zu schweren Motorradunfällen mit zwei Toten, elf Schwer- und fünf Leichtverletzten.

Die Kammer führt in ihrer Entscheidung aus, aufgrund dieser Entwicklung der Verkehrsunfälle mit Personen- und Sachschäden durch Krafträder sei belegt, dass die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts im hier betroffenen Bereich der L 687 das allgemeine Risiko eines Verkehrsunfalls deutlich übersteige. Inwieweit dies auf eine missbräuchliche Straßennutzung zurückzuführen sei oder andere Ursachen habe, sei unerheblich, denn auch verkehrswidriges Nutzungsverhalten im maßgeblichen Streckenabschnittsbereich sei straßenverkehrsbezogen und habe seine Ursache in den besonderen örtlichen Verhältnissen.

Der Kreis Olpe habe auch das ihm zustehende Ermessen, ob und welche Maßnahmen er zur Beseitigung der Gefahrenlage ergreife, fehlerfrei ausgeübt und insbesondere den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt. Die Einschätzung, in der Vergangenheit seien sämtliche Möglichkeiten zur Reduzierung des Unfallgeschehens und zum Schutz der Verkehrsteilnehmer ausgeschöpft worden, ohne dass dies zu einer nachhaltigen Beseitigung der konkreten Gefahrenlage geführt habe, sei nicht zu beanstanden. Denn trotz der seit 2007 verfügten straßenverkehrsrechtlichen Anordnungen (Geschwindigkeitsbegrenzung auf 70 Stundenkilometer und Überholverbot), der Ausweisung der Strecke als Unfallstrecke, der Anbringung von Richtungstafeln, Leitpfosten und Rüttelstreifen in einigen Kurven sowie der Ausstattung von Leitplanken mit einem Unterfahrschutz sei es fortwährend weiter zu schweren Verkehrsunfällen unter Beteiligung von Kradrädern gekommen. Weitergehende, die Leichtigkeit des Verkehrs beeinträchtigende Maßnahmen, wie etwa die von dem klagenden Motorradfahrer angesprochene Anbringung von hoch genug ausgeführten Rüttelstreifen in sämtlichen Kurven habe die Behörde nicht in ihre Überlegungen einbeziehen müssen.

Da es sich bei der L 687 um eine Landesstraße mit überregionaler Verkehrsbedeutung handelt, ist aus Sicht der Kammer auch nicht zu beanstanden, dass der Kreis Olpe eine weitere Reduzierung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nicht erwogen hat. Zudem sei auch nicht zu erwarten, dass eine solche Anordnung von Motorradfahrern, die die Strecke missbräuchlich als Rennstrecke nutzten, beachtet werden würde. Eine mobile oder stationäre Geschwindigkeitsüberwachung sei mangels Frontkennzeichen der Motorräder und angesichts der Unmöglichkeit der Identifizierung von mit geschlossenem Visier fahrenden Motorradfahrern nicht zielführend. In den vergangenen Jahren durchgeführte personalintensive polizeiliche Überwachungsmaßnahmen hätten nicht zum gewünschten Erfolg geführt, da die Strecke regelmäßig gezielt ausgekundschaftet werde; verkehrsordnungswidriges und gefährliches Verhalten sei allenfalls punktuell am Kontrolltag unterbunden worden. Die behördliche Einschätzung, dass eine nachhaltige Verhaltensveränderung der Motorradfahrer hierdurch nicht zu erwarten sei, sei nicht zu beanstanden.

Die Kammer führt ferner aus, der Kreis Olpe habe mit der bis Ende Oktober befristeten Streckensperrung nur am Wochenende und an den Feiertagen auch eine Anordnung getroffen, die einzelne Personen und die Allgemeinheit nicht übermäßig belaste. Denn an Werktagen können Kradfahrer die Strecke uneingeschränkt befahren. Da zudem die Sperrung nur in Fahrtrichtung Sundern angeordnet worden sei, seien Rundfahrten im Sauerland bei entsprechender Planung auch unter Nutzung der Straße über den Lenscheid weiterhin möglich. Sofern ein Motorradfahrer diese Strecke in Fahrtrichtung Rönkhausen aus beruflichen oder dringenden privaten Gründen auch am Wochenende oder an Feiertagen befahren müsse, könne dieser eine entsprechende straßenverkehrsrechtliche Ausnahmegenehmigung beantragen.

Gegen diesen Beschluss kann Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen erhoben werden.


Aktenzeichen: 7 L 381/20