Die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Arnsberg hat in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren entschieden, dass die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von vier Windenergieanlagen im Stadtgebiet von Bad Berleburg vorerst ausgenutzt werden darf.

Der Kreis Siegen-Wittgenstein hat einer Bad Berleburger Investorin auf deren Antrag vom 1. Oktober 2019 am 15. Juli 2020 eine Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von vier Windenergieanlagen in der Gemarkung Arfeld erteilt. Gegen diese Genehmigung richtet sich eine von der Stadt Bad Berleburg erhobene Klage, über die das Gericht noch nicht entschieden hat. Die Stadt Bad Berleburg, die im Genehmigungsverfahren ihr Einvernehmen zu dem angedachten Vorhaben verweigert hatte, sieht sich durch die Erteilung der Genehmigung in ihrer gemeindlichen Planungshoheit verletzt und wollte in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren die Aussetzung dieser Genehmigung bis zur Entscheidung des Gerichts über die Klage erstreiten. Diesen Antrag hat das Gericht nun mit Beschluss vom 4. März 2021 abgelehnt.

Die Kammer führt in ihrer Entscheidung in der Sache aus, dass sich die Stadt Berleburg voraussichtlich nicht mit Erfolg darauf berufen könne, dass die im Genehmigungsverfahren durchgeführte standortbezogene Umweltverträglichkeits-  Vorprüfung nicht den gesetzlichen Anforderungen entspreche. Der insofern allein erhobene Einwand, wegen weiterer (Windenergieanlagen-)Projekte in der Umgebung des streitigen Vorhabens hätte es statt einer standortbezogenen einer allgemeinen Umweltverträglichkeits-Vorprüfung bedurft, greife nicht durch. Denn voraussichtlich bildeten nur die vier in Arfeld geplanten Windenergieanlagen eine gemeinsam Windfarm, für die nur eine standortbezogene Umweltverträglichkeits-Vorprüfung durchzuführen sei. Dass zwischen diesen vier Anlagen und weiteren im Stadtgebiet von Bad Berleburg angedachten Windenergieanlagen-Vorhaben ein funktionaler und wirtschaftlicher Zusammenhang bestehe – mit der Folge, dass eine allgemeine Umweltverträglichkeits-Vorprüfung hätte durchgeführt werden müssen –, sei weder substantiiert vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.

Auch verletze der Genehmigungsbescheid die Stadt Bad Berleburg voraussichtlich nicht in deren in § 36 des Baugesetzbuches (BauGB) normierten Recht auf Einvernehmen. Nach Absatz 1 Satz 1 dieser Vorschrift wird über die Zulässigkeit von Vorhaben im bauaufsichtsrechtlichen Genehmigungsverfahren von der Bauaufsichtsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde entschieden. Das Einvernehmen ist auch erforderlich, wenn – wie hier im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren – in einem anderen Verfahren über die Zulässigkeit eines Vorhabens entschieden wird. Das gemeindliche Einvernehmen darf grundsätzlich nur aus bestimmten Gründen versagt werden, die sich wiederum aus den planungsrechtlichen Vorschriften der §§ 31, 33, 34 und 35 BauGB ergeben. Ein rechtswidrig versagtes gemeindliches Einvernehmen kann die nach Landesrecht zuständige Behörde ersetzen. Die Kammer hat entschieden, dass der Kreis Siegen-Wittgenstein das Einvernehmen der Stadt Bad Berleburg voraussichtlich zu Recht ersetzt hat, weil das Vorhaben nach den hier einschlägigen Vorgaben des § 35 BauGB bauplanungsrechtlich zulässig sein dürfte.

Als im Außenbereich privilegierte Vorhaben sind Windenergieanlagen zu genehmigen, sofern diesen keine öffentlichen Belange entgegenstehen und die Erschließung gesichert ist. Im Hinblick auf aus ihrer Sicht entgegen stehende öffentlichen Belange habe sich die Stadt Berleburg allein auf die Ausweisung einer Windenergie-Konzentrationszone in ihrem Flächennutzungsplan berufen. Diese Ausweisung jedoch nicht wirksam festgesetzt worden sei, da die Bekanntmachung des Flächennutzungsplans vom 28. Mai 2003 nicht rechtsstaatlichen Anforderungen genüge. Flächennutzungspläne seien der Öffentlichkeit in einer Weise bekanntzumachen, die es dieser ermögliche, sich in zumutbarer Weise Kenntnis von deren Inhalt zu verschaffen. Hierzu sei es erforderlich, dass der räumliche Geltungsbereich der die Konzentrationsflächen aufweisenden Darstellung hinreichend deutlich gemacht werde; dies sei bei der Darstellung des Flächennutzungsplans mit der Ausweisung von Windenergiekonzentrationszonen grundsätzlich der gesamte Außenbereich der Gemeinde. Hieran fehle es in der Genehmigungsbekanntmachung jedoch.

Die Stadt Bad Berleburg könne sich auch nicht darauf berufen, trotz des Bekanntmachungsmangels an die inhaltlichen Festsetzungen des Flächennutzungsplans gebunden zu sein. Zwar dürfe eine Gemeinde ihre Bauleitpläne in der Regel nicht einfach unangewendet lassen, dies gelte aber nicht, wenn diese – wie vorliegend – aufgrund eines offensichtlichen Bekanntmachungsmangels noch nicht einmal den Anschein einer Rechtsgeltung zu erzeugen vermochten. Dass der Flächennutzungsplan aus Mai 2003 nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden sei, sei der Stadt Bad Berleburg zum Zeitpunkt der Versagung ihres Einvernehmens bekannt gewesen.

Eine Verletzung naturschutzrechtlicher Belange, die als öffentliche Belange der Genehmigungserteilung ebenfalls entgegenstehen könnten, dränge sich nicht auf.

Das Windenergieanlagen-Vorhaben sei aber auch nicht deshalb bauplanungsrechtlich unzulässig, weil eine ausreichende Erschließung der Anlagen nicht gesichert sei.

Schließlich sei auch die konkludente Ablehnung des Antrags der Stadt Bad Berleburg auf Zurückstellung des streitigen Vorhabens gemäß § 15 Abs. 3 BauGB bei summarischer Prüfung nicht zu beanstanden. Nach dieser Vorschrift, die im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren entsprechend anwendbar ist,  hat die Baugenehmigungsbehörde auf Antrag der Gemeinde die Entscheidung unter anderem über die Zulassung einer Windenergieanlage für einen Zeitraum von längstens einem Jahr auszusetzen, wenn die Gemeinde beschlossen hat, einen Flächennutzungsplan aufzustellen, zu ändern oder zu ergänzen, mit dem Vorrangzonen für Windenergie ausgewiesen werden sollen, und zu befürchten ist, dass die Durchführung der Planung durch das Vorhaben unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert werden würde. Vorliegend sind nach Auffassung der Kammer jedoch die materiellen Voraussetzungen für die Zurückstellung nicht erfüllt.

§ 15 Abs. 3 BauGB ist ein Sicherungsinstrument für eine im Werden befindliche Konzentrationszonenplanung und soll den Schutz der Planungshoheit der Gemeinde verbessern. Da sich Zurückstellungsentscheidungen zu Lasten der betroffenen Grundstückseigentümer auswirken, dürfen sie jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen und für bestimmte Zeiträume erteilt werden, um das grundgesetzlich geschützte Eigentumsrecht nicht unverhältnismäßig zu beschränken. Da vorliegend die vier Jahre nach Offenlegung des Planentwurfs gebotene weitergehende Konkretisierung der Planung aber nicht erfolgt sei, könne sich die Stadt Bad Berleburg jedoch nicht darauf berufen, nach dem bisherigen Planungsstand sei eine Gefährdung ihrer Planung zu befürchten, weil das Vorhaben bei Arfeld außerhalb der bislang geplanten Konzentrationszonen liege. Die Stadt habe ihrer Obliegenheit nicht genügt, ihre Planung – unter Berücksichtigung der für Konzentrationszonenplanung geltenden Besonderheiten – grundsätzlich fortlaufend zu konkretisieren und weiterzuentwickeln. Das Aufstellungsverfahren für den Flächennutzungsplan habe vielmehr bereits seit der Ende Juni 2016 beschlossenen Offenlegung des Planentwurfs faktisch geruht; die Stadt Bad Berleburg habe ihren Zurückstellungsantrag aus Februar 2020 auch allein damit begründet, dass das Verfahren jederzeit wiederaufgenommen werden könne, aber keine Aussage dazu getroffen, ob die Fortführung der Planung konkret beabsichtigt sei. Auch die übersandten Aufstellungsunterlagen hätten keinen Anhaltspunkt für eine absehbare Wiederaufnahme des Planaufstellungsverfahrens geboten.

Gegen die Entscheidung vom 4. März 2021 kann Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen eingelegt werden.

 

Aktenzeichen: 4 L 911/20