Nachdem die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Arnsberg bereits in einem von der Gemeinde Nachrodt-Wiblingwerde betriebenen einstweiligen Rechtsschutzverfahren entschieden hatte, dass die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von zwei Windenergieanlagen nahe des Ortsteils Veserde von Nachrodt-Wiblingwerde vorerst ausgenutzt werden darf, ist nun auch ein von der Stadt Hagen in dieser Angelegenheit geführtes weiteres Eilverfahren ohne Erfolg geblieben.

Der Märkische Kreis hat einer in Nachrodt-Wiblingwerde ansässigen Investorin am 30. März 2020 eine Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von zwei Windenergieanlagen in Veserde erteilt. Die geplanten Anlagenstandorte liegen etwa 750 m von den nächstgelegenen Gebäuden des Ortsteils Hagen-Nahmer und etwa 800 m von denen des Ortsteils Hohenlimburg entfernt. Gegen die Genehmigung haben sowohl die Stadt Hagen als auch die Gemeinde Nachrodt-Wiblingwerde Klage erhoben; über beide Klagen hat das Gericht noch nicht entschieden.

Die Stadt Hagen sieht sich durch die Erteilung der Genehmigung in ihrer gemeindlichen Planungshoheit verletzt und führt darüber hinaus aus, dem Vorhaben stünden Belange des Denkmalschutzes, des Naturschutzes und des vorbeugenden Immissionsschutzes entgegen; auch lägen Verstöße gegen das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung vor. Die Stadt Hagen wollte daher in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren die Aussetzung dieser Genehmigung bis zur Entscheidung des Gerichts über ihre Klage erstreiten.

Diesen Antrag hat das Gericht nun mit Beschluss vom 4. Mai 2021 abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Eine Nachbargemeinde sei nicht befugt, private Rechte Dritter geltend zu machen oder die Unvereinbarkeit des Vorhabens mit den Belangen von Natur und Landschaft gerichtlich überprüfen zu lassen. Ausgehend davon könne sich die Stadt Hagen nicht darauf berufen, das Windenergieanlagen-Vorhaben verletze den Artenschutz, verunstalte das Orts- und Landschaftsbild und rufe schädliche Umwelteinwirkungen auf fremde Grundstücke, insbesondere ihrer Bürger, hervor. Von vornherein nicht Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle seien auch denkmalschutzrechtliche Belange, welche die Stadt Hagen insbesondere durch eine Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes des Baudenkmals Schloss Hohenlimburg verletzt sieht. Das Denkmalschutzgesetz vermittle allenfalls dem Eigentümer eines Baudenkmals unter engen Voraussetzungen ein individuelles Abwehrrecht.

Die Stadt Hagen dringe aber auch mit ihren Einwänden, die durchgeführte standortbezogene Umweltverträglichkeitsprüfung sei fehlerhaft und es sei eine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich gewesen, voraussichtlich nicht durch. Des Weiteren verstoße die Genehmigung nicht zu Lasten der Stadt gegen § 5 Abs. 1 Nr. 1 des Bundesimmissionsschutzgesetzes, demzufolge genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben sind, dass schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Denn für eine Immissionsbelastung von im Eigentum der Stadt Hagen stehenden Grundstücken bestünden bei summarischer Prüfung keine greifbaren Anhaltspunkte.

Die Stadt Hagen könne sich auch nicht auf eine Verletzung ihrer gemeindlichen Planungshoheit berufen. Diese vermittele einer Nachbargemeinde zwar ein Abwehrrecht, wenn das geplante Vorhaben eine hinreichend bestimmte Planung nachhaltig störe, wesentliche Teile des Gemeindegebiets einer durchsetzbaren Planung entziehe oder kommunale Einrichtungen erheblich beeinträchtige, wobei vom Schutz der Planungshoheit auch (schon) planerische Vorstellungen erfasst würden, die sich hinreichend konkretisiert hätten. Konkretisierte städtebauliche oder sonstige Planungen, die durch die beiden genehmigten Windenergieanlagen – gegebenenfalls in Zusammenwirken mit drei bereits vorhandenen Anlagen – beeinträchtigt werden könnten, habe die Stadt Hagen aber nicht benannt. Ebenso führe das Argument, neben beabsichtigten Planungen seien auch Einwirkungen auf bestehende Wohngebiete zu berücksichtigen, für die aufgrund des Vorhabens eine Qualifizierung der Gebietseinstufung nach der Baunutzungsverordnung nicht mehr stattfinden könne, mangels konkreter (Über-)Planungsabsichten ersichtlich nicht auf eine Verletzung der Planungshoheit der Stadt Hagen.

Gegen das Vorhaben stehe der Stadt Hagen voraussichtlich auch kein Abwehranspruch aufgrund einer Verletzung ihres gemeindlichen Selbstgestaltungsrechts zu. Ein solcher Anspruch entstehe allenfalls dann, wenn die Gemeinde durch Maßnahmen betroffen werde, die das Ortsbild entscheidend prägen und hierdurch nachhaltig auf das Gemeindegebiet und die Entwicklung der Gemeinde einwirken; gewisse ästhetische Einbußen für das Ortsbild als Folge ansonsten zulässiger Vorhaben habe die Gemeinde hinzunehmen. Für eine Verletzung des Selbstgestaltungsrechts durch die Errichtung und den Betrieb von Windenergieanlagen sei eine Veränderung der städtebaulichen Struktur von Grund auf – etwa durch eine die übrige Bebauung dominierende Wirkung oder die  Schaffung eines optischen  Riegels – darzulegen; die bloße Sichtbarkeit an sich reiche für eine Verletzung nicht aus. Eine derart schwerwiegende Veränderung der städtebaulichen Strukturen auf dem Hagener Stadtgebiet werde das Windenergie-Vorhaben jedoch nicht hervorrufen. Auch eine Riegelwirkung durch Abschneidung von aus Ortsteilen einsehbarer Landschaftsteile sei aufgrund der Positionierung der einzelnen Anlagen-Standorte zueinander sowie ihrer geographischen Lage und Entfernung zu Hohenlimburg und Nahmer fernliegend. Schließlich gebe auch die Behauptung, der Denkmalschutz präge „als Gesamtensemble das Stadtbild des Stadtteils Hohenlimburg“, für die Annahme einer entscheidenden Prägung des Ortsbildes beziehungsweise einer grundlegenden Veränderung der städtebaulichen Struktur durch das Vorhaben nichts her. Denn der Ortschaft Hohenlimburg komme kein denkmalschutzrechtlicher Ensembleschutz zu. Dass gerade aufgrund betroffener Sichtbeziehungen auf Einzeldenkmäler wie das Schloss Hohenlimburg die Schwelle eines erheblichen Eingriffs in das Erscheinungs- beziehungsweise Ortsbild der Stadt Hagen gegeben sein solle, sei weder substantiiert vorgetragen noch sonst erkennbar.

Gegen die Entscheidung vom 4. Mai 2021 kann Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen eingelegt werden.

Aktenzeichen: 4 L 150/21