Die in der Nähe des Iserlohner Stadtteils Lethmathe geplanten Windenergieanlagen beeinträchtigen nicht die Belange benachbarter Anwohner. Die 8. Kammer des Verwaltungsgerichts Arnsberg hat nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Urteil vom 19. April 2021 die Klage einer in Schwerte wohnenden Anwohnerin gegen einen das Vorhaben betreffenden immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid des Märkischen Kreises abgewiesen.

Eine in Wiesbaden ansässige Investorin plant im nordwestlichen Stadtgebiet von Iserlohn die Errichtung von zwei Windenergieanlagen mit einer Nabenhöhe von jeweils 165 m, einem Rotordurchmesser von 148 m und einer Gesamthöhe von 239 m. Die geplanten Standorte liegen im Landschaftsschutzgebiet „Schälker Heide“. Auf Antrag der Investorin stellte der Märkische Kreis in einem am 6. Juli 2020 erlassenen immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid fest, dass dieses Vorhaben den zivilen und militärischen Belangen der Flugsicherheit nicht widerspricht und planungsrechtlich sowie landschaftsrechtlich zulässig ist. Gegen diesen Vorbescheid hatten nachfolgend 26 in Iserlohn, Hagen und Schwerte wohnende Bürgerinnen und Bürger geklagt. Der weitaus überwiegende Teil dieser Klagen wurde im September 2020 und eine Klage im Termin zur mündlichen Verhandlung zurückgenommen.

Zur Begründung der einzig verbliebenen Klage hatte die Klägerin, deren im planungsrechtlichen Außenbereich gelegenes Wohnhaus etwa 750 m beziehungsweise 1.200 m von den vorgesehenen Anlagenstandorten entfernt liegt, vorgetragen, von den geplanten Windenergieanlagen gehe eine optisch erdrückende Wirkung aus; die Besonderheiten der Landschaft mit erheblichen Höhenunterschieden seien nicht berücksichtigt worden. Dem Vorbescheid stehe zudem der von den Anlagen ausgehende, unterhalb der Hörschwelle liegende Infraschall entgegen, der zu Störungen des „Wohlgefühls“ und koronaren Auswirkungen auf den Herzmuskel führe. Mangels regelmäßiger Wartung der Anlagen gehe von diesen ein erhebliches Gefahrenpotenzial für Erholungssuchende aus. Sie – die Klägerin – nehme „Waldrechte“ in Anspruch, das seit Jahrhunderten bestehende Landschaftsbild „Schälker Heide“ sei prägend für ihr Leben, insbesondere ihre Freizeitgestaltung. Auch werde der von der Landesregierung im April 2018 beschlossene Mindestabstand von Windenergieanlagen zu Wohngebieten nicht eingehalten. Dem Vorhaben stehe zudem der Natur- und Artenschutz entgegen. Die Errichtung der Anlagen sei volkswirtschaftlich  sinnlos und stelle mit Blick auf den Verbrauch seltener Erden eine Ressourcenverschwendung dar. Der Vorbescheid verletze zudem die Planungshoheit der Städte Iserlohn und Hagen und des Kreises Unna. Diese Argumente blieben letztlich ohne Erfolg.

Ein immissionsschutzrechtlicher Vorbescheid ist im Rahmen einer Nachbarklage nur in eingeschränktem Umfang auf seine Rechtmäßigkeit hin zu untersuchen. Denn Nachbarn haben nicht schon dann einen Anspruch auf Aufhebung eines Vorbescheides, wenn dieser objektiv rechtswidrig ist. Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle im Rahmen einer Nachbaranfechtung ist vielmehr allein, ob der angegriffene Vorbescheid mit solchen Vorschriften des öffentlichen Rechts in Einklang steht, die – jedenfalls auch – den Interessen des um Rechtsschutz nachsuchenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind. Eine weitere Einschränkung des gerichtlichen Prüfungsumfanges ergab sich bei der nunmehr von der 8. Kammer des Gerichts entschiedenen Nachbarklage daraus, dass der streitgegenständliche immissionsschutzrechtliche Vorbescheid nur die Vereinbarkeit des Vorhabens mit dem Planungsrecht, dem Landschaftsschutz und den militärischen und zivilen Belangen der Luftfahrt zum Gegenstand hat. 

Die Kammer führt in ihrem Urteil vom 19. April 2021 aus, der Klägerin stehe kein Abwehrrecht gegen die Windenergieanlagen mit Blick auf optisch bedrängende Wirkungen zu. Im Rahmen der hier erforderlichen Einzelfallbetrachtung seine keine Umstände festzustellen, die trotz des Höhenunterschiedes und der Entfernung zwischen den Windenergieanlagen und dem Wohnhaus der Klägerin für eine optisch bedrängende Wirkung sprächen. Die geplanten Anlagen erzeugten zudem keine schädlichen Umwelteinwirkungen in Gestalt von Infraschall.

Die weiteren Rügen beträfen nicht drittschützende Normen oder nur nicht vom Prüfungsumfang des immissionsschutzrechtlichen Vorbescheides umfasste Gesichtspunkte. Als bloße Nutzerin des Waldes stünden der Klägerin keine subjektiven Abwehrrechte gegen die geplanten Windenergieanlagen zu. Soweit die Klägerin eine arten- und naturschutzrechtliche Unzulässigkeit des Vorhabens rüge, sei eine Verletzung in eigenen Rechten schon nicht ersichtlich. Zudem verhalte sich der streitgegenständliche Vorbescheid nicht zum Arten- und Naturschutz. Verstöße gegen die kommunale Planungshoheit könnten allenfalls die betroffenen Kommunen und Kreise rügen. Auch der im Landesentwicklungsplan Nordrhein-Westfalen vorgesehene Vorsorgeabstand zwischen Wohnbebauung und Windenergieanlagen begründe keine Verletzung der Klägerin in eigenen Rechten. Denn der Vorsorgeabstand gelte nur für allgemeine und reine Wohngebiete und in einem solchen liege das Wohnhaus der Klägerin nicht. Zudem handele es sich bei dem Landesentwicklungsplan um ein Instrument der Landesplanung, welches in der Regel keine Rechte Einzelner begründe.

Gegen das Urteil vom 19. April 2021 kann Zulassung der Berufung beantragt werden, über welche das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu entscheiden hätte.

 

Aktenzeichen: 8 K 2613/20